Es ist kein Geheimnis, dass Arbeitskräftemangel herrscht. Die Unternehmen suchen nach Fach- und Führungskräften und insbesondere nach Spezialisten für verschiedene Gebiete. Für die Personalberatungsunternehmen sieht die Geschäftslage daher insgesamt positiv aus. Dennoch gibt es Unterschiede in den Branchen, wie Sven Halbe, Managing Director der Deltacon Executive Search AG, beim Round Table berichtet. „In der Bau- und Immobilienwirtschaft sind manche Unternehmen zurückhaltender mit dem Recruiting geworden“, sagt er. Dies sei jedoch kein Grund zu Pessimismus, da der Personalbedarf in den Branchen dennoch hoch sei. „Wir gehen davon aus, dass der Markt auch hier wieder anzieht“, so Halbe.
Branchenübergreifend sei die Nachfrage nach Fach- und Führungskräften ohnehin sehr groß. Auch Michael Faller, Vorstand der Baumann Unternehmensberatung Beteiligungs- und Verwaltungs AG bewertet den Markt über alle Branchen und Sektoren hinweg als positiv. Unternehmensseitige Zurückhaltung beobachtet er ebenfalls in der Baubranche, zudem in der Automobilzulieferindustrie. „Die Nachfrage im Executive Search hat dagegen bei Unternehmen aus dem Energiesektor stark zugenommen. Das gilt für Versorger, aber auch für die Peripherie. Auch die Medizintechnik und die sonstigen regulierten Industrien sind bei uns stark gewachsen“, gibt Faller eine weitere Einordnung des Marktes.
Der Anlagenbau indes sei differenziert zu betrachten: Unternehmen aus dem Bereich Verfahrens-Anlagenbau seien eher zurückhaltend mit Mandaten, jene im Bereich der Dekarbonisierung hingegen sehr stark vertreten. Anzeichen für einen Einbruch der Nachfragen sieht Faller nicht. Was ihm jedoch Sorge bereitet: Die Aufträge resultieren häufig nicht aus einem wirtschaftlichen Wachstum der Firmen, sondern vielmehr aus deren Problem, die Stellen selbst nicht besetzen zu können. Beim Recruiting von Experten scheint dies besonders stark der Fall zu sein.
So berichtet Michael Welz, Geschäftsführer der Passion for People GmbH, dass sein Unternehmen seit 2023 mehr für die Vermittlung von Experten und weniger für Führungskräfte beauftragt werde – dies zudem aus Situationen heraus, in denen sich die Unternehmen in einer Frustrations- und Verzweiflungsphase befinden würden, weil sie niemanden finden.
Der Kandidatenmarkt wird schwieriger
Man sollte meinen, dass die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt beziehungsweise das Wissen darum, dass zahlreiche Unternehmen auf Personalsuche sind, Menschen veranlasst, schneller als früher den Job zu wechseln. Die aktuelle Gallup-Studie zur Mitarbeiterbindung bestärkt diesen Gedanken, zeigt sie doch, dass die Wechselwilligkeit von Mitarbeitenden zunimmt. Was Führungskräfte und Experten betrifft, können die Teilnehmenden des Round Tables dies jedoch nicht uneingeschränkt bestätigen.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass die Wechselbereitschaft per se steigt. Dies ist differenzierter zu betrachten“, sagt Michael Welz. So komme es stark auf das Alter der Kandidaten und Kandidatinnen an: „In meinem Bereich nimmt die Wechselbereitschaft signifikant ab, sobald jemand die 50 überschritten hat“, erläutert er. Dann werde stark auf die Solidität und Robustheit des Unternehmens geschaut. „Ist das eine Station, die mir einen sicheren Hafen bieten kann für die letzten zehn Jahre meiner Berufstätigkeit? Diese Frage stellen sich viele Arbeitnehmer in dieser Lebensphase“, führt Welz aus. Denn Tatsache ist: Mit 55 Jahren ist man in Deutschland grundsätzlich schwerer vermittelbar. Viele Führungskräfte in diesem Alter, die in einem „sicheren“ Unternehmen arbeiten und dort ein gutes Standing haben, sind nach Erfahrung von Welz daher eher selten zu einem Arbeitgeberwechsel zu bewegen.
Laut Michael Faller und Sven Halbe kommt es darüber hinaus auf die Branche und die Position an, eine allgemeine Wechselbereitschaft bestätigen auch sie nicht. „Selbst Executives, die in wirtschaftlich angeschlagenen Branchen wie Automotive arbeiten, sind bezüglich eines Jobwechsels eher zurückhaltend“, ist die Erfahrung von Faller. „Insofern das Unternehmen nicht signalisiert, dass ihre Stelle gefährdet ist, besteht im Allgemeinen die Tendenz, die Entwicklungen beim Arbeitgeber abzuwarten.“
Zurückhaltung beim Arbeitgeberwechsel
In der Baubranche verhält es sich Sven Halbe zufolge ähnlich. Durch die Zinswende, die Situation mit den Rohstoffpreisen und den massiven Einbrüchen im Wohnungsbausektor herrsche bei den Führungskräften eine große Zurückhaltung in Sachen Arbeitgeberwechsel. „Viele meiner Kandidaten wollen erstmal abwarten“, sagt Halbe. Den Satz: „Sprechen Sie mich in ein, zwei Jahren nochmals an, dann ist vielleicht klarer, wo die Reise hingeht“, bekomme er häufig zu hören. Laut Halbe hängt die Wechselbereitschaft der Kandidaten aber auch von deren Funktion beziehungsweise Position ab.
„Im Sales-Bereich ist der Wunsch, den Arbeitgeber zu wechseln, sehr viel größer als beispielsweise im Ingenieur-Sektor, wo das Sicherheitsdenken recht ausgeprägt ist“, sagt er. In Letzterem sei daher auch der Betreuungsaufwand von Kandidaten, die einen Wechsel in Erwägung ziehen, entsprechend groß. „Wir begleiten die Kandidaten inzwischen nicht nur von der Vertragsunterzeichnung bis zum Start, sondern führen selbst in der Probezeit noch weitere Gespräche“, erläutert Halbe. Diese Betreuung sei extrem wichtig geworden, um bei eventuellen Unsicherheiten gegensteuern zu können. Doch auch bei anderen Kandidaten und Kandidatinnen ist eine Begleitung in der Probezeit nötig. „Wir beobachten, dass mittlerweile sehr viele vermittelte Kandidaten und Kandidatinnen in der Probezeit wieder abspringen“, begründet René Rauscher, Geschäftsführer der SThree GmbH.
Noch mehr würden bereits vor Jobstart vom Arbeitsvertrag wieder zurücktreten. „Dies zum Teil sehr kurzfristig, etwa einen Tag vor Arbeitsantritt, weil sie sich bis zum Schluss weitere Angebote offenhalten“, so Rauscher. „Das Pokern bei den Kandidaten nimmt zu“, ist auch die Wahrnehmung von Michael Welz. Das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt habe sich so sehr zugunsten der Arbeitnehmer entwickelt, dass die Phase wischen Contracting und Arbeitsstart als sehr sensible Zeit gesehen werden müsse. „In diesen circa drei Monaten sollten die Touchpoints zum Kandidaten erhöht und er beziehungsweise sie immer wieder mit Informationen versorgt werden, da nicht sicher davon auszugehen ist, ihn oder sie wirklich gewonnen zu haben“, meint Welz.
Angst vor einer eventuellen vorübergehenden Nichtbeschäftigung, wenn sie die Stelle nicht antreten, haben immer weniger Arbeitnehmende. „Im Bewusstsein der Kandidaten ist angekommen, dass es relativ unerheblich ist, wenn sie eine Lücke in ihrer Vita haben oder auch nur eine kurze Zeit eine Stelle besetzen“, sagt Dennis Hoffmeister, Managing Director der PageGroup. „Früher ist akribisch darauf geachtet worden, wie lange Kandidaten und Kandidatinnen in einer Position aktiv sind. Heute ist für viele nicht mehr so wichtig, eine Kontinuität im Lebenslauf zu haben. Denn es ist sicher: Das nächste Angebot kommt sowieso“, so Hoffmeister.
Neues Anspruchsdenken auf dem Kandidatenmarkt
Wechselwillige Führungskräfte sowie Experten und Expertinnen können sich heutzutage ihren Job meist unter mehreren Angeboten aussuchen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass sich die Ansprüche auf Kandidatenseite immer höherschrauben. „Die Kandidaten und Kandidatinnen sehen sich heute in der Regel einer Vielzahl von möglichen Positionen gegenübergestellt und haben die freie Wahl“, sagt Corinna Kusserow, Abteilungsleiterin Personalberatung und Executive Search bei Hays. Dementsprechend werden seitens der Bewerbenden mehr Forderungen gestellt, was beispielsweise die Work-Life-Balance und die Möglichkeit remote zu arbeiten betreffe.
„Darüber hinaus zeigt sich, dass auch die Spezialisten und Spezialistinnen zunehmend nach Positionen mit personeller Verantwortung streben. Meiner Beobachtung nach geben sich circa 40 Prozent von ihnen nicht mehr damit zufrieden, einen Arbeitgeberwechsel ohne personelle Verantwortung oder zumindest einer dahingehenden Perspektive zu vollziehen“, so Kusserow. All dies mache es für die Unternehmen schwerer, reine Spezialisten und Spezialistinnen für sich zu gewinnen. Angesichts der Situation seien Unternehmen gefragt, ein attraktives und individuelles Paket zu schnüren, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. Das angebotene Gehalt spielt dabei freilich auch eine entscheidende Rolle. „Viele Bewerber nutzen die Lage für sich und fordern zum Teil ein Viertel mehr Gehalt als sie bei ihrem aktuellen Arbeitgeber verdienen“, weiß Thomas K. Heiden, Partner und Gründer der Heiden Associates Personalberatung. Ein Teil von ihnen verfolge dabei gar nicht das Ziel, unbedingt zu wechseln. „Ihre Strategie ist vielmehr: Wenn sie wissen, dass sie woanders 25 Prozent mehr verdienen könnten, gehen sie zu ihrem Chef und konfrontieren diesen damit – oftmals mit dem gewünschten Ergebnis einer entsprechenden Gehaltssteigerung ohne das Risiko eines Wechsels“, sagt Heiden.
Durch die verstärkten monetären Forderungen werde letztlich eine Gehaltsspirale in Gang gesetzt, die nach Meinung von René Rauscher teilweise an der Realität vorbeigeht. „Aufgrund der Angebote kalkuliert der Kandidat seinen Marktwert. Auf diese Weise ermittelt, wird dieser dann teilweise aber nicht mehr dem gerecht, was die Unternehmen zu zahlen bereit sind“, erläutert er. Gehe beispielsweise ein Absolvent aufgrund der vielen Angebote davon aus, dass er mit 95.000 Euro einsteigen könne, dann sei das schlicht nicht mehr realistisch. „Mit dieser fiktiven Marktwertsteigerung haben wir bei SThree gerade sehr zu kämpfen. Denn bei einem gewissen Gehalt ziehen unsere Kunden natürlich eine Grenze“, so Rauscher. Es sei unabdingbar, gegen diese Gehaltspirale vorzugehen: „Man muss den Kandidaten letztlich klarmachen, dass ihr Marktwert trotz der zahlreichen Angebote nicht ihren Vorstellungen entspricht“, sagt er. Doch selbst wenn dies gelingt, steht fest: Die gestiegenen Ansprüche seitens der Kandidaten und Kandidatinnen erschwert die Arbeit der Personalberatungsunternehmen. „Bei uns schiebt das den Prozess jeweils um einige Wochen hinaus, bis wir erfolgreich sind“, offenbart Michael Welz.
Recruiting-Prozess: Firmen müssen umdenken
Durch das veränderte Kräfteverhältnis im Recruiting müssen Unternehmen sich heutzutage quasi bei ihren Kandidaten bewerben. Zumindest, so der allgemeine Tenor beim Round Table, müssen sie ihr Recruiting anders gestalten und mehr auf die Kandidaten eingehen als früher. So sollten die Unternehmen nach Meinung von René Rauscher die Vorstellungsgespräche nicht mehr ausschließlich dafür nutzen, „um eigene Fragen loszuwerden.“ Die Unternehmen seien vielmehr gefordert, sich zu positionieren und ihr Unternehmen, die Arbeitsumgebung und die potenziellen Aufgaben der Führungskraft vorteilhaft in Szene zu setzen. Auch Dennis Hoffmeister plädiert für ein Umdenken. Seiner Ansicht nach sollte der Ausgangsgedanke sein, die Kandidatinnen und Kandidaten grundsätzlich nicht mehr als Bewerbende zu betrachten. „Es geht vielmehr um ein gegenseitiges Kennenlernen, bei dem beide Seiten schauen, ob sie zusammenfinden und welche Einsatzmöglichkeiten bestehen“, sagt er. Genau dies ist der Knackpunkt, den viele Unternehmen jedoch noch nicht erkannt und somit das Nachsehen haben. „Wer sich hier dem Markt nicht anpasst, bringt sich um Recruiting-Erfolge“, ist Corinna Kusserow daher überzeugt. Jenen Unternehmen, die verstanden hätten, dass sie einem veränderten Kandidatenmarkt gegenüberstehen und Prozesse neu denken müssen, schreibt die Personalberaterin im derzeitigen allgemein schwierigen Marktgeschehen indes noch gute Chancen zu, an geeignete Fachkräfte zu kommen.
Doch was heißt es konkret, Recruiting-Prozesse neu zu denken? Auf jeden Fall gehört dazu, die Gesprächs- und Auswahlprozesse im Sinne der Kandidaten und Kandidatinnen kürzer und effizienter zu gestalten. „Wer glaubt, er könne den Auswahlprozess immer wieder in die Länge ziehen und warten, der wird am Ende leer ausgehen“, sagt Faller. Fachkräfte im MINT-Bereich haben laut René Rauscher gar nur einen Verfügbarkeitsrahmen von zwei Wochen. „Dauert der Recruiting-Prozess länger als zehn Tage, wird es schwierig mit der Vermittlung“, sagt er.
Für den Executive-Bereich ist eine Vermittlungszeit von zehn Tagen freilich nicht machbar. Dennoch lässt sich die Geschwindigkeit erhöhen.
Michael Welz nennt hierfür zwei Ansatzpunkte: Erstens statt mehrerer Einzelgespräche, die verschiedenen Stakeholder zu einem Gesprächstermin mit dem Kandidaten zusammenbringen. Zweitens eine schnelle Arbeitsvertrags-Abwicklung. „Wenn der Kandidat oder die Kandidatin zugesagt hat, muss der Vertrag ihm beziehungsweise ihr postwendend zugesandt werden. Denn oftmals ist derjenige noch mit anderen Arbeitgebern im Gespräch“, erläutert Welz. Viele Unternehmen würden beim Contracting zwischen zehn und 14 Tagen verstreichen lassen – und liefen somit Gefahr, dass der Kandidat in der Zwischenzeit schon woanders unterschrieben habe.
Anziehungspunkt Flexibilität
Von der Gestaltung des Recruiting-Prozesses abgesehen. Was steigert die Wahrscheinlichkeit für die Unternehmen, Kandidaten und Kandidatinnen für sich zu gewinnen? Die Möglichkeit, dass diese remote arbeiten können, spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Zwischen fünf Bewerbenden wählen zu können – das gehört für die Unternehmen bei vielen zu besetzenden Positionen laut den Teilnehmenden des Round Table der Vergangenheit an. Maximal drei Personen können sie ihnen in der Regel präsentieren. Da stellt sich schnell die Frage, ob die Unternehmen nicht automatisch ihre Ansprüche herunterschrauben. Nach Erfahrung von Michael Faller ist dies jedoch nicht der Fall. Sein Eindruck ist vielmehr, dass die Anforderungen immer spezifischer werden. „Zumindest was Führungskräfte auf C-Level wie Geschäftsführer angeht, ist die Bereitschaft unserer Kunden, aufgrund eines engen Marktes Kompromisse bei erfolgskritischen Anforderungen zu machen, nachvollziehbarerweise zum Großteil nicht vorhanden“, sagt er. Bei mittelständischen Kunden hingegen bestehe häufiger die Bereitschaft, einmal definierte Anforderungsprofile im Laufe einer Suche nochmals einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Auch was das Recruiting von Experten und Expertinnen angeht, besteht mehr Flexibilität, von den ursprünglichen Anforderungen abzurücken, merkt Michael Welz an. Oftmals werde dann der Suchradius erweitert oder die gewünschte Branche.
An welchen Stellschrauben sollten die Unternehmen darüber hinaus drehen, um ihre Chancen für eine erfolgreiche Besetzung zu erhöhen? Laut Thomas K. Heiden spielt eine Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit und dem Arbeitsort eine Rolle. „Von einem Kandidaten zu verlangen, mit der Familie in einen anderen Ort fern der Heimat zu ziehen, ist für viele inzwischen zum Killerkriterium geworden“, sagt er. Ihnen mit der Möglichkeit zu pendeln und einer flexiblen Homeoffice-Regelung entgegenzukommen, wäre auf jeden Fall ein Gewinn. Doch nicht in allen Positionen ist es möglich, remote zu arbeiten. Zudem tun sich manche Unternehmen wie der inhabergeführte Mittelstand noch schwer damit, Homeoffice anzubieten.
Bezüglich des Erfolgs, diesbezüglich auf die Unternehmen einzuwirken, gehen die Meinungen beim Round Table auseinander. Während etwa Michael Welz und Dennis Hoffmeister nicht glauben, dass sie auf kulturelle Angelegenheiten ihrer Kunden Einfluss nehmen können, hat Corinna Kusserow die Erfahrung gemacht, dass Kunden sie zumindest um Orientierung bitten. „Immer mehr Unternehmen wünschen sich einen Abgleich mit unserer Markterfahrung, wie es andere Marktbegleiter mit der Remote-Tätigkeit halten. Wird der bestehende Druck auf dem Markt klar, kann es durchaus dazu kommen, dass ein Arbeitgeber selbst bei vorheriger Ablehnung der Remote-Tätigkeit eine Lösung zulässt, die für beide Seiten akzeptabel ist.“ Dies hat Sven Halbe bei einem Mandat erlebt. „Nachdem der Kunde erkannt hatte, dass er bei einer schwierigen Positionsbesetzung selbst mit einer Budgeterhöhung erfolglos geblieben wäre, weil die Kandidaten nicht mehr Geld als vielmehr eine höhere Flexibilität haben wollten, hat er beschlossen, Homeoffice im Betrieb einzuführen – und dies konsequent für alle Mitarbeitenden“, berichtet Halbe.
Diversity – Frauen und ausländische Beschäftigte
Auch wenn Diversity weitaus mehr umfasst, bei den meisten Unternehmen wird der Fokus bei diesem Thema daraufgelegt, die Frauenquote in der Organisation zu erhöhen. Dennoch scheint die Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen schwierig zu bleiben. „Strategisch spielt es in den Unternehmen eine große Rolle, die Frauenquote zu erhöhen“, sagt Michael Faller. So habe man bei Baumann in der jüngeren Vergangenheit Kunden mehrfach beraten, wie diese sich positionieren könnten, um mehr Führungspositionen nachhaltig mit Frauen zu besetzen. Dennis Hoffmeister führt dieses gesteigerte Interesse unter anderem auf die Environmental-Social-Governance-Richtlinien zurück. „In das „Social“ spielt Diversity mit rein. Die Unternehmen sind angehalten, eine größere personelle Vielfalt voranzutreiben. Mehr Frauen zu rekrutieren, ist eine Möglichkeit“, erläutert er.
Letztlich komme es dann auf die Branche und die jeweiligen zu besetzenden Funktionsbereiche an, ob es realistisch sei, dass das Unternehmen seine Quote tatsächlich erhöhen könne. Die Realität beschreibt wiederum Faller: „Trotz des strategischen Interesses der Unternehmen ist es eher selten, dass nur unter Frauen gesucht werden soll – ausgenommen Banken und Genossenschaften sowie der Public Sektor und kommunale Bereiche, da diese eine bestimme Frauenquote erfüllen müssen.“
Was aber tun, wenn keine weiblichen Führungskräfte mit den gestellten Anforderungen zu finden sind? Eine Führungsposition aus der Not heraus mit einer Frau zu besetzen, ist laut Thomas K. Heiden auf jeden Fall ein riskantes Unterfangen – und zudem dem Diversity-Gedanken in keiner Weise zuträglich. „Das kann nur nach hinten losgehen, und am Ende heißt es dann, dass die betreffende Kandidatin ohnehin nur wegen der Quote genommen wurde“, sagt er.
Eine gesteigerte Diversity durch das Einstellen von Migrantinnen und Migranten kann ebenfalls als ausbaufähig bezeichnet werden. Dies allerdings aus einem ganz anderen Grund: Insbesondere um dem Fachkräftemangel zu begegnen, würden die Unternehmen zwar gerne Menschen aus Drittstaaten einstellen. Wie René Rauscher berichtet, sind die administrativen Hürden, um Menschen aus Nicht-EU-Staaten zu beschäftigen, jedoch so hoch, dass die Unternehmen oftmals daran scheitern. „Diese Leute brauchen eine Arbeitserlaubnis, für diese werden wiederum aber ihre Qualifikationen nicht anerkannt et cetera. Noch dazu sind die Auflagen sehr unübersichtlich“, so Rauscher. Die Datenbank seiner Personalberatung sei dennoch neben europäischen auch mit nicht-europäischen Kandidaten und Kandidatinnen gut gefüllt – auch wenn die Vermittlung sehr aufwändig sei. „Bei Hays beteiligen wir uns aktiv mit unserer politischen Abteilung in Berlin an der Verbesserung des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetztes und haben bereits intern Strukturen aufgebaut, welche den Kandidaten und Kandidatinnen bei den aufwändigen Prozessen helfen“, berichtet Corinna Kusserow. „Unsere Kunden können und wollen das oft nicht leisten, also nehmen wir das als Personalberater mit den Bewerbenden selbst in die Hand.“ Denn es sei notwendig die internationale Fachkräftegewinnung für Deutschland voranzubringen. „Im Bereich der Lehrergewinnung aus dem Ausland treiben wir das bereits in unserem Geschäftsbereich Education stark voran und werden das auch zeitnah in weiteren Geschäftsfeldern ausbauen“, sagt Kusserow.
Personalberatung und Künstliche Intelligenz
Spätestens seit der Chatbot ChatGPT auf dem Markt ist, ist KI ein viel diskutiertes Thema. Manche sind vom Tool begeistert, heben die Vorteile hervor, andere fühlen sich durch die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz in ihren Jobs bedroht. Wie steht man in der Personalberatung KI gegenüber? Welches Potenzial schreibt man der Künstlichen Intelligenz zu? „Durch Tools wie ChatGPT wird es zu einer sehr starken Automatisierung im Research kommen“, prognostiziert Thomas K. Heiden für die Personalberatungs-Branche. „Ich schätze, um die 80 Prozent der Suchen werden zukünftig durch maschinengestützte Such- und Ermittlungsverfahren abgedeckt, der Mensch wird nur noch eine Art Feintuning der vorgeschlagenen Profile machen.“
Heiden ist der Fachmann für KI beim Round Table: Ende der 80er Jahre hat er zum Thema „Künstliche Intelligenz“ promoviert. „An den Grundlagen der KI an sich hat sich seitdem kaum etwas geändert“, sagt er. Aber die Rechenpower, die hinter den Algorithmen stecke, habe sich enorm vergrößert. Wie KI konkret in der Praxis der Personalberatung genutzt werden kann und welche Vorteile sie bringt, erläutert Heiden an einem Beispiel: „Angenommen es wird ein Entwicklungsleiter für eine bestimmte Technologie gesucht, dann wird ein entsprechendes Suchmuster vorgegeben. Wird keine geografische Einschränkung genannt ist, ist die Welt der Suchraum. Es kann dann sein, dass zum Beispiel ein Entwicklungsleiter in Italien gefunden wird. Auf diesen wäre man ohne KI nie gestoßen, weil die Suche sonst auf die DACH-Region fokussiert gewesen wäre.“ Ob die gefundene Person wirklich passe, könne final allerdings nur ein Mensch beurteilen.
Chatbots in der Kommunikation hält Heiden für nicht adäquat: „Kandidaten wünschen den persönlichen Kontakt zum Personalberater und nicht zu einer Maschine.“ „Personalberatung ist mehr als Matching. Der menschliche Faktor wird nicht ersetzbar sein“, stimmt René Rauscher zu. Gerade auch, was Überzeugungsarbeit angehe. Die Chancen, die er durch KI sieht, liegen insbesondere in einer effizienteren Kandidatensuche. In seiner Personalberatung führt Rauscher daher aktuell KI-gestützte CRM-Systeme für die Suche nach MINT-Fachkräften ein, die den gesamten Profil-Abbildungsprozess begleiten soll. „Wir werden dadurch in der Lage sein, bestimmte Daten besser auszuwerten und miteinander vergleichen zu können, um so wiederum eine bessere Trefferauswahl zu erreichen“, erläutert Rauscher.
Eine KI-gestützte Suche ist dann zielführend, wenn für Standardprofile wie SAP-Consultant oder Wirtschaftsprüfer der Suchalgorithmus mit vielen Profilen und positiven Matchings „gefüttert“ beziehungsweise trainiert werden kann. Dann kann die KI ihre Leistungsfähigkeit ausspielen. Darauf macht Heiden aufmerksam. Sonderprofile stellen laut ihm auch heute noch die KI mangels Masse an Positivmustern vor Herausforderungen. „Hier ist der Mensch mit seiner realen Intelligenz noch überlegen“, sagt er. Für Michael Faller kann die Künstliche Intelligenz zum Beispiel einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität des Sourcings und Research leisten. „ChatGPT kann Researchern helfen, die passenden Booleschen Befehle bei sehr spezifischen und anspruchsvollen Suchprofilen vorzuschlagen“, sagt er. Corinna Kusserow weist darüber hinaus auf eine weitere Einsatzmöglichkeit hin: das Texten von Stellenanzeigen. „Es gibt hier die ersten erfolgreichen Versuche mit ChatGPT“, sagt sie. Die KI liefere nach Stichpunkten einen Stellenanzeigen-Text, welcher im Anschluss von menschlicher Seite geprüft werde. Die Ergebnisse der KI seien hier überraschend gut.
Als Bedrohung für die Personalberatungs-Branche empfindet niemand der Teilnehmenden am Round Table die derzeitigen KI-Entwicklungen; man ist sich einig, dass die Vorteile im Sinne einer Unterstützung für die eigene Arbeit überwiegen. „Dass Routineaufgaben von KI-gestützten Tools übernommen werden können, spielt uns entgegen. Denn das sind in der Regel unbeliebte Aufgaben“, bringt es Dennis Hoffmeister auf den Punkt. Auf der anderen Seite, so ist er überzeugt, würden Tätigkeiten, bei denen der Mensch eine wichtige Rolle spiele, eine neue Bedeutung erlangen. Damit meint er nicht zuletzt die Kunst, die Kandidatinnen und Kandidaten für den interessierten Arbeitgeber zu begeistern. So sieht es auch Sven Halbe: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies über einen Chatbot jemals möglich ist“, schließt er.
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Personaldienstleister
Im Grunde genommen ist die Personaldienstleistung ein Überbegriff, der Dienstleistungen zum Thema Gewinnung, Einsatz und Freisetzung von Personal verbindet und auf den Verkauf von Arbeitsleistung abzielt.
Author: Jerry Novak
Last Updated: 1702422241
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